JAZZ
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
M ark Turner Q u a rte t
LATHE OF HEAVEN
ECM/Ünivetsal CD
(58)
Manchmal beginnt er in den hohen,
höchsten Lagen, dort, wo der Ton
des Tenorsax schon dünn, fast fa-
serig wird. Aber eine solch brüchi-
ge Schönheit, der gleichzeitig eine
lichte Klarheit innewohnt, scheint
M ark Turner wichtig. Denn Avishai
Cohens Trompetenton ist geschmei-
dig genug, schmiegt sich eng an
Turners Saxofon. Weitgehend zwei-
stim m ig spielen sich beide durch
die überwiegend getragenen Songs.
Turners neue CD „Lathe Of Hea-
ven“ spannt einen weiten Bogen
vom legendären Zweiergespann von
Miles und Wayne Shorter bis hin zu
Stevie Wonder. Freilich alles ein-
gefärbt von Turners ganz eigenem
Kosmos. Joe Martin am Bass und
T ill Brönner
THE MOVIE ALBUM
Verve/Universal CD (LP geplant)
(65)
Deutschlands populärster Trom-
peter geht musikalisch zum Film.
Soundtracks hat Till Brönner schon
produziert („H öllentou r“ , „Jazz
Seen“), jetzt spielt er Filmmusik,
und zwar - da lässt er sich nicht
lum pen - im opulenten Cinem a-
scope-Sound. Aufgenom m en in
L. A., mit Studio-Cracks, Streichern
und singenden Gästen (etwa Gre-
gory Porter) bietet „The Movie Al-
bum“ neben Themen der Katego-
rie „übliche Verdächtige“ („Cine-
ma Paradiso“, „As Time Goes By“)
auch weniger Erwartbares („Il Pos-
tino“). Brönners Trompete schwebt
über einer Wolke aus Wohlklang, bis
der Tanzvideo-Hit „Happy“ den Hö-
rer aus sanften Träumen reißt.
klm
MUSIK '
KLANG ★ ★ ★
Marcus Gilmore an den Drums stüt-
zen das musikalische Geschehen,
durchwirken mit ihren Instrumenten
die Musik. Im mer noch ist eine For-
mation ohne die ausgewiesene ak-
kordische Struktur eines Klaviers
ein besonderes Wagnis: „Einerseits
erlaubt das eine zusätzliche Frei-
heit“, sagt Turner, „lädt dem ein-
zelnen M usiker aber auch m ehr
Verantwortung auf. M it einer Band
wie dieser legst Du Dir besonde-
re Beschränkungen auf - harm o-
nische, rhythmische, auch in Hin-
sicht auf Deinen Sound - um m u-
sikalisch starke Statements zu set-
zen.“ Tatsächlich klingt Turners En-
sem ble nie w ie eine harmonisch
ausgedünnte Formation. Vieles er-
schließt sich im Zusammenklang.
Gerade seinen Bassisten Joe M ar-
tin, dessen Töne manchmal rhyth-
misch frei herumzustapfen schei-
nen, lobt Turner für sein harm oni-
sches Gespür.
Eben noch hat der Saxofonist in
Projekten von Enrico Rava, Stefano
Bollani und Billy Hart gearbeitet,
hier brilliert er mit eigenen Kompo-
sitionen und setzt sich eindringlich
als einer der wichtigsten Saxofo-
nisten seiner Generation in Szene.
Tilman Urbach
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★
Emile Parisien Q u artet
SPEZIAL SNACK
ACT/Edel CD
(46')
Seit zehn Jahren besteht das fran-
zösische Q uartett, in dem der So-
pransaxofonist Emile Parisien Na-
mensgeber, aber ansonsten nicht
weiter exponiert ist. Hier handelt es
sich um eine eingespielte Einheit,
frei von konventioneller Rollenauf-
teilung, aber mit einem ureigenen
Kollektivsound. Statt klassischer
Them a-Solo-Them a-D ram aturgie
gelten andere Regeln von Kompo-
sition und Improvisation. Die Stü-
cke gleichen Klangszenen, erzeugt
mit geräuschhaft eingesetzten Ins-
trum enten (Schnattern, Klappern,
Kratzen). Sie bauen sich auf, um
abrupt eingerissen zu werden. Free
Jazz haben die vier so gut verdaut
wie neue E-Musik. Furios.
klm
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
★ ★
Jazzkantine
m j
m it der NDR Big Band
OHNE STECKER
Rap Nation/Indigo CD (LP geplant)
(61')
„W ir haben auch Power ohne Ste-
cker“ , heißt es im Titelstück, ei-
nem kabarettreifen M inihörspiel.
Bei diesem „Unplugged Best of“
zum
2 0
. Jubiläum der Soul-Jazz-Hip-
Hop-Funk-Band Jazzkantine geben
die Bläser der NDR Big Band Druck.
O rchesterleiter Jörg Achim Keller
und andere haben Highlights der
Gruppe neu arrangiert, kokettie-
ren mit der Tradition (Thelonious
M onk, Average W hite Band) und
jonglieren mit den Stilen. Befreun-
dete Gäste (Smudo, Xavier Naidoo)
und ironische Texte, wie Puff Babas
Kanak-Rap „Krankenhaus“, tun das
Ihre, dass die Sache aufgeht und
der W itz nicht zu kurz kommt.
klm
MUSIK ■
KLANG
Lars Danielsson
LIBERETTO II
ACT/Edel CD (LP geplant)
Diese Musik ist w ieder ein echter
Danielsson: melodie- und harmo-
nieseelig, tie f melancholisch. M u-
sik, die ohne Umschweife vom Hö-
rer adaptiert werden kann. Dem
Ausnahmebassisten geht es nicht
um die Kategorie Jazz, sondern ein-
fach um gute Musik, die er aus allen
Feldern von der Klassik bis zum Pop
eingem eindet. Für die instrum en-
tale Q ualität bürgen der tolle Pia-
nist Tigran, der Gitarrist John Par-
ricelli und der Ex-E.S.T.-Drummer
Magnus Öström. Dazu gesellen sich
allerlei Gäste w ie C scilie Norby,
die hier nicht nur als Stim m e ver-
nehmbar ist, sondern auch als Pro-
duzentin fungiert. Einfach schön!
T.U.
MUSIK ★
KLANG ★ ★ ★
★ ★
N eil Cowley Trio
TOUCH AND FLEE
Naim/Indigo CD (LP geplant)
(36')
Krault da der Kontrabassist sei-
nen rotblonden Rauschebart? Mit
der Attrappe einer linken Hand?
Auf dem Cover bleibt der Humor
des Neil Cowley Trios „very Bri-
tish“. Derweil wird die Musik gefäl-
liger. Zwischen die markanten Riffs,
die trockenen, gern ein wenig ver-
schobenen Grooves dieses Klavier-
trios mit Independent-Rock-Attitü-
de schieben sich zusehends aus-
ladende M elodiebögen, lange aus-
klingende Akkorde, Stücke zum be-
schaulichen Innehalten. Damit dürf-
te der Pianist mit Popvergangen-
heit (The Brand New Heavies, Ade-
le) durchaus neue Freunde gewin-
nen. Doch wundern mag man sich
über die kurze Laufzeit der CD.
klm
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
136 STEREO 11/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
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